Jeanne Eckhart, Matthias Hürzeler
Niederschwellige Suchtarbeit: Grundzüge, aktuelle Situation und Herausforderungen
Niederschwellige Suchtarbeit soll dort wirken, wo andere Angebote nicht greifen. Sie richtet sich an Menschen, die vom Hilfesystem ausgeschlossen sind und will Konsumierende nicht verändern, sondern schützen. Doch wo beginnt Niederschwelligkeit – und wo endet sie in einer Idealvorstellung? Der Artikel beleuchtet zentrale Merkmale und Dimensionen, diskutiert Grenzen und zeigt, warum gerade die Soziale Arbeit eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung spielt; denn Niederschwelligkeit ist weniger eine starre Formel als vielmehr ein dynamisches Konzept.
Fachgespräch mit Beatrice Piva, Lyn Huber und Gerhild Thiepold
«Niederschwellige Suchtarbeit bedeutet nicht nur zuzuhören, sondern auch sich zu zeigen»
Ziel der niederschwelligen Suchtarbeit ist es, die Schwelle zu Unterstützungsangeboten zu senken. Im Gespräch mit drei engagierten Fachpersonen wird deutlich: Auch wenn Niederschwelligkeit angestrebt wird, bewegt sie sich immer innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen und beschränkten Ressourcen. Dennoch fördert das Bemühen um Niederschwelligkeit eine stärkere Ausrichtung der Suchtarbeit auf die Bedürfnisse der Klient:innen – und ermöglicht Nähe, die mit einer professionellen Haltung zugelassen werden kann.
Matthias Drilling, Martial Jossi, Michael Koller
Obdachlosigkeit und Niederschwelligkeit
Obdachlosigkeit ist das Ergebnis einer Kumulation von Ausschlussprozessen bzw. Problemlagen. Neben dem Verlust von Unterkunft und Arbeit verfügen Betroffene meist auch über nur schwache soziale Netzwerke und haben kaum Zugang zu einer tragfähigen Infrastruktur. Umso entscheidender sind niederschwellige Unterstützungsangebote, die über die blosse Überlebenshilfe hinausgehen und neue Chancen eröffnen können. Damit verbunden ist eine hohe Erwartung an Fachpersonen der Sozialen Arbeit, strukturelle Barrieren im Blick zu behalten. Die oftmals praktizierte Sicherung blosser Minimalstrukturen des Überlebens hingegen ist keine ausreichende professionelle Antwort.
Zur Leseprobe
Mara Stieler, Stefan Kühne
Niedrigschwellige Suchthilfe im Netz: Potenziale von Online-Streetwork
Für Jugendliche sind soziale Medien zentrale Orte des Austauschs, der Orientierung und der Selbstinszenierung. Zugleich werden Jugendliche dort mit konsumbezogenen Inhalten konfrontiert, die von subtiler Normalisierung bis zu offener Konsumwerbung reichen. Um darauf zu reagieren, ist Online-Streetwork ein wichtiger Ansatz, um direkt in der digitalen Lebenswelt anzusetzen, niedrigschwellige Beratung und Information zu ermöglichen und Brücken zu weiterführenden Hilfen zu schlagen.
Dominique Schori, Joël Bellmont
Drug Checking in Zürich: wie niederschwellig ist der Zugang wirklich?
Drug-Checking-Angebote sind längst mehr als ein Angebot für Nachtschwärmer:innen: Sie verbinden Substanzanalyse mit Beratung, fördern Konsumkompetenz und erleichtern den Zugang zu Hilfesystemen. In Zürich hat sich daraus ein vielfältiges Netz entwickelt. Doch nicht alle Zielgruppen profitieren gleichermassen. Wie kann es gelingen, besonders vulnerable oder mehrfach stigmatisierte Gruppen wie Frauen, Jugendliche und Geflüchtete besser zu erreichen – und welche Rolle spielt Drug Checking im Umgang mit künftigen Herausforderungen?
Markus Röthlisberger
Projekt Assist: niederschwellige Unterstützung in der szenennahen Wohnbegleitung
Das Konzept des Projektes Assist ist auf suchtbetroffene und psychisch erkrankte Menschen ausgerichtet, welche in der Suchthilfe «unter dem Radar fliegen». Diese Menschen leben in ihrer eigenen Wohnung und sind in den meisten Fällen in einer Lebensphase der Frühalterung. Sie sind zunehmend mit dem Unterhalt der Wohnung und der Selbstfürsorge überfordert. Die Angst vor Autonomieverlust und die Scham über die herrschenden Wohnverhältnisse sind die Hauptgründe, weshalb sie sich meistens nicht aktiv Hilfe holen. Assist setzt dort an, wo sich die Menschen aufhalten, auf der Drogenszene.
Christian Richter, Magdalena Eder
Menschlicher Abfall!? Ein Essay zur Existenzverwaltung in Drogenkonsumräumen
Konsumräume nehmen unbestritten eine wichtige Funktion in der niedrigschwelligen Drogenarbeit wahr. Dennoch stellt sich die Frage, wie institutionell mit Menschen umgegangen wird, die diese Einrichtungen nutzen und Teile ihres Lebens dort verbringen. Was bleibt ihnen jenseits des Überlebens und Konsumierens und was bedeutet das für ihre Existenz? Eine kritische Auseinandersetzung.
Marina Delgrande Jordan, Nicole Egli Anthonioz
Hindernisse und Förderfaktoren in der Zusammenarbeit von Peer-Suchtarbeit und Pflege im Spital
Menschen mit Suchtproblemen sind häufiger im Spital als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dabei kann ein Spitalaufenthalt eine Gelegenheit sein, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen. Die direkte Zusammenarbeit zwischen Pflege und Suchtarbeit soll die Früherkennung und die Intervention im Spital oder den Übergang in die ambulante Suchthilfe erleichtern. Ein von Gesundheitsförderung Schweiz finanziertes Projekt testet verschiedene Formen der Kollaboration. Zur Ergänzung wurden Erfahrungen auf internationaler Ebene gesammelt und hier beschrieben, mit besonderem Fokus auf Peer-Helfer:innen.