Martin Hafen
Schadensminderung zwischen Prävention und Behandlung
Das Konzept der Schadensminderung weist zahlreiche Schnittstellen mit den Konzepten der Behandlung und der Prävention auf. Vor dem Hintergrund des Bestrebens, die Schadensminderung auf legale Suchtmittel und Verhaltenssüchte wie Geldspiel auszuweiten, bietet sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesen Schnittstellen an. Aus dieser Auseinandersetzung ergeben sich Argumente für, aber auch gegen eine inhaltliche Ausweitung der Schadensminderung.
Dominique Schori
Drug Checking in der Schweiz
Drug Checking hat sich in der Praxis als wirksames Instrument zur Schadensminderung bei Freizeitdrogenkonsumierenden in einigen Städten der Schweiz etabliert. Der niederschwellige Ansatz bietet einen exklusiven Zugang zu einer Gruppe von Konsumierenden, die beim Konsum potentiell hohe Risiken eingehen und einen hohen Bedarf an Beratung und Aufklärung haben, von anderen Angeboten der Suchthilfe aber kaum erreicht werden. Für eine breitere Akzeptanz dieses Angebots ist es entscheidend, die Wirksamkeit von Drug Checking künftig verstärkt wissenschaftlich zu untersuchen. Gleichzeitig sollte der Ansatz auf weitere Regionen und Settings ausgeweitet werden.
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Holger Schmid, Richard Müller
15 Jahre Tabakpräventionsfonds: Ist die Pubertät überstanden?
Seit 15 Jahren werden durch den Tabakpräventionsfonds TPF jährlich rund 14 Millionen Franken für Projekte zur Verfügung gestellt, welche die Verbreitung des Rauchens senken sollen. Trotz Einsatz dieser Mittel rauchen unverändert mehr als 25 % der Bevölkerung. Eine drastische Erhöhung des Preises für Rauchwaren als eine wirksame, tabakspezifische Massnahme ist nicht in Sicht. Der TPF sollte wieder mehr Projekte finanzieren, an einer neutralen Stelle verwaltet werden und unabhängig von politischem Druck agieren können. Die Massnahmen zur Senkung der Verbreitung des Rauchens sind nicht ausgeschöpft.
Ambros Uchtenhagen
Sucht ist eine psychiatrische Krankheit, auch im IV-Recht – offene Fragen zur Umsetzung
Ein Grundsatzentscheid des Bundesgerichts stuft Suchtkrankheiten als psychiatrische Krankheiten ein (publiziert als BGE-145-V-215 am 05.08.2019). Damit sind Suchtkrankheiten neu unter bestimmten Voraussetzungen rententauglich. Im Einzelfall muss ein strukturiertes Verfahren zur Abklärung des Leidens und der Arbeitsfähigkeit durchgeführt werden. Dabei stellen sich Fragen, die noch zu klären sind: Es geht um Diagnostik, Beurteilung der Arbeitsfähigkeit, Therapieplanung, Mitwirkungsrechte, Schadensminderungspflicht und allfällige Verhaltensvorschriften.
Martin Fleckenstein, Susanne Leiberg
IRRT-ERT: Ein emotionsaktivierendes Verfahren zur Rückfallbearbeitung
Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung haben Schwierigkeiten in der Emotionsregulation. Negative Gefühle sind Hauptauslöser für Substanzkonsum und Rückfälle nach Abstinenz. Emotionsregulation ist also gleich Rückfallprävention. Verfahren zur Rückfallbearbeitung sind oft explizit und werden mit PatientInnen im beruhigten Zustand durchgeführt. Konsumereignisse sind aber zumeist hoch emotional. IRRT-ERT ist ein implizites Verfahren, bei dem Betroffene im emotional aktivierten Zustand Rückfallpräventionsstrategien und gelingende Emotionsregulation einüben. IRRT-ERT ist ein Ansatz, der für die Abstinenzsicherheit entscheidende emotionale Kompetenzen trainiert.
Sandra Köhler
BuddyCare verbindet Menschen und Lebenswelten
BuddyCare ermöglicht drogenabhängigen Menschen die für sie so wichtigen sozialen Kontakte ausserhalb der Drogenszene. Sozial engagierte BürgerInnen bekommen die Gelegenheit zu einer interessanten und sinnvollen ehrenamtlichen Tätigkeit, die mit den eigenen Hobbys und Interessen gut zu verbinden ist. Buddy und TeilnehmerIn treffen sich ein Jahr lang einmal pro Woche. Hier entstehen freundschaftliche Beziehungen zwischen Menschen, die sich ansonsten vermutlich nie begegnet wären. Die intensive Vorbereitung und Begleitung der Buddys sind wesentliche Erfolgsfaktoren des nunmehr seit zehn Jahren bestehenden Projektes.
Olivier Simon, René Stamm, Robert Hämmig, Willem Scholten, Cheryl Dickson, Louise Penzenstadler, Valérie Junod
Wird die Behandlung mit Opioid-Agonisten erleichtert und normalisiert?
Die sognannte «Substitutionsbehandlung» mit opioidhaltigen Medikamenten untersteht einem speziellen Zulassungsverfahren, das den Zugang zur Behandlung erschweren soll. Die Pompidou-Gruppe, die Länder bei der Modernisierung dieser Vorschriften unterstützen soll, hat soeben ihre Empfehlungen veröffentlicht: Der medizinisch-administrative Aufwand im Zusammenhang mit Vorabgenehmigungsregelungen sollte reduziert werden zugunsten einer verstärkten «normalen» Kontrolle von Medikamentenabgabe und Fachpersonal. Das epidemiologische Monitoring und die Rückmeldungen aus der Praxis der Kantone sollten verbessert werden und unabhängige Instanzen öffentliche Empfehlungen abgeben. Die in den Gesetzestexten verwendete Terminologie sollte im Sinne einer neutraleren Sprachverwendung angepasst werden.
Fazit. ForschungsSpiegel von Sucht Schweiz
Hospitalisierungen infolge Alkohol-Intoxikation oder Alkoholabhängigkeit bei Jugendlichen und Erwachsenen
Trotz allgemein vermuteter hoher Validität des selbstberichteten Alkoholkonsums in Befragungen sollten subjektive Konsumangaben durch objektive Messungen ergänzt werden. Eine solche Quelle stellen in der Schweiz die Daten der «Medizinischen Statistik der Krankenhäuser» (MS) des Bundesamtes für Statistik (BFS) dar. Die MS dokumentiert schweizweit alle PatientInnen, die in einem Krankenhaus, einem Spital oder einer Klinik mit einer Diagnose «Alkohol-Intoxikation» oder «Alkoholabhängigkeit» stationär behandelt wurden. Die Entwicklung der Hospitalisierungen mit diesen Diagnosen zwischen 2003 bis 2016 wird in diesem Fazit beschrieben.