Fiorenza Gamba
Rituale: Vom sozialen Klebstoff zur personalisierten und geteilten Erfindung von Sinn
Rituale standen lange im Zentrum sozialanthropologischer Forschung und strukturalistischer Betrachtungen. Inzwischen haben sich die Sozialwissenschaften von dieser Sichtweise emanzipiert und fassen Rituale und rituelle Praktiken breiter. In diesem Einleitungsartikel soll auf diese Tradition der Analyse sowie auf die neueren Betrachtungen von Ritualen eingegangen werden. Insbesondere sollen die Tendenzen in der Forschung wie die Praxis der Deinstitutionalisierung und Personalisierung der Rituale vorgestellt werden.
Michael Staack
Mikrosoziologie der Sucht: Die Theorie der Interaction Ritual Chains
Die mikrosoziologische Theorie der Interaction Ritual Chains bietet eine analytische Perspektive auf Suchtphänomene, die die sozialen Situationen,die das Suchtverhalten rahmen, spezifisch mitberücksichtigen kann. Insbesondere kann sie die Bedeutungs- bzw. Symboldimensionen von Suchtpraktiken analytisch erfassen. Damit ist sie eine sehr fruchtbare Ergänzung der in der Suchtforschung dominanten, auf individuelles Verhalten fokussierenden psychologischen und medizinischen Ansätze.
Sandro Cattacin
Die Freude am Drehen eines Joints. Cannabis als Teil ritueller Praxis
Cannabis wird zunehmend in Ritualen als psychoaktive Substanz eingesetzt, um das Erlebnis der persönlichen Veränderung zu stärken und Gruppenzugehörigkeit zu fördern, ohne grosse Risiken einzugehen. Nachdem sich Cannabis aufgrund von Zivilisierungsprozessen und der Ausdehnung des Gebrauchs (auch dank des Verbots und der damit einhergehenden emanzipatorischen Attraktivität) langsam von religiös-ideologischen Diskursen befreit, birgt dieser rituelle Einsatz in einem legalen System das Potential, den vernünftigen Gebrauch von Cannabis zu fördern.
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Milan Scheidegger
Ritual als Therapie: Perspektiven der Transformation
Aktuell wird das therapeutische Potenzial veränderter Bewusstseinszustände wieder vermehrt wissenschaftlich erforscht. Kulturgeschichtlich haben sich Rituale im Umgang mit psychotropen Pflanzen als salutogenetisch erwiesen. Mit «Set» und «Setting» werden Elemente des Ritualkonzepts benannt, die in der Entwicklung neuer Behandlungsansätze mit Psychedelika eine wichtige Rolle spielen. Wenn ritualisierte Kontexte die Kontroll- und Integrationskompetenz im Umgang mit psychotropen Substanzen steigern, beugen sie einer Suchtentwicklung vor.
Urs Müller, Simon Ruckli, Ulrike Raschke, Raphaela Jülke, Martin Fluder, Luisiana Schlegel, Thomas Heinimann, Oliver Bilke-Hentsch
Rituale in der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie
Rituale spielen in der stationären Therapie von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen und Suchtstörungen seit jeher eine grosse Rolle. Der Verlust von Verhaltensautomatismen, positiven Stereotypien, vertrauten Ritualen und verbindlichen Abläufen ist nicht selten Teil der ungünstigen psychopathologischen Entwicklung.
Michel Massmünster
Ordnungen des Rausches. Rhythmen und Rituale im nächtlichen Vergnügen
Das Nachtleben ist voller Versprechen auf Grenzüberschreitungen, Ekstasen und Exzesse; die Ordnungen des Tages scheinen ausser Kraft. Doch für wen wann welche Regeln gelten, ist auch nachts klar geordnet. Der Artikel geht auf nächtliche Veränderungen im Rahmen der industriellen Urbanisierung ein und zeigt damit, wie die Vorstellungen der Nacht als Gegenwelt Teil der täglichen Ordnung sind. Mit den Alltagsrhythmen veränderten sich die Rituale und Bedeutungen der Nacht. Auch gegenwärtig werden nächtliche Rhythmen und Rituale sowie ihre Bedeutungen gemeinsam neu ausgehandelt und verändert.
Robert Urban
Rituale in der offenen Jugendarbeit
Rituale sind identitätsstiftend und können Halt sowie ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln. Bedingt durch den gesellschaftlichen Wertewandel ändern sich auch die Alltagsrituale von Jugendlichen laufend. Jugendarbeitende können Rituale in ihrer Arbeit nutzen, um das Selbstwertgefühl von Jugendlichen zu stärken. Im folgenden Artikel werden in diesem Zusammenhang zwei Projekte aus der offenen Jugendarbeit vorgestellt.
Fazit. ForschungsSpiegel von Sucht Schweiz
CBD-Konsumierende in der Schweiz
Cannabisprodukte, die einen THC-Gehalt (Tetrahydrocannabinol) unter 1 % aufweisen und oft sog. Cannabidiol (CBD) enthalten, sind in der Schweiz seit dem Sommer 2016 nicht mehr illegal. CBD-Hanf wird seither vermehrt angepflanzt und in Form unterschiedlichster Produkte angeboten (Blüten, Öle, Tinkturen, Lebensmittel, Kosmetika). Dieser Trend hat in seinem Ausmass viele überrascht. Wer sind die Menschen, die solche Produkte konsumieren? Eine aktuelle Studie wagt eine erste Annäherung an diese Frage.