Thilo Beck
Modelle der Marktregulierung in der Suchtpolitik
Die schweizerische
Suchtpolitik verfolgt bei der Regulierung von psychoaktiven Substanzen zwei
unterschiedliche Ansätze: Alkohol und Tabak werden nach dem Modell der
Legalisierung schwach reglementiert, für die Mehrheit der übrigen psychoaktiven
Substanzen gilt hingegen ein weitgehendes Verbotsprinzip. Hier setzt die
Nationale Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik NAS-CPA in der Grundposition
«Marktregulierung in der Drogenpolitik» an, in der die möglichen Formen der
Marktregulierung beschrieben und auf ihre Nützlichkeit für die Ziele einer
erfolgreichen Suchtpolitik geprüft werden. Es ergeben sich in dieser Analyse im
Vergleich zum bisherigen Ansatz der Verbotspolitik deutliche Vorteile für die
Einführung eines nach rationalen Kriterien reglementierten Marktes
legalisierter Substanzen. Anhand von vier Beispielen aus den Bereichen Tabak,
Alkohol, Cannabis und Glücksspiel wird der oft mehr von Tradition, Moral und
wirtschaftlichen Interessen als von Zielsetzungen der Prävention oder der
Schadenminderung geprägte Prozess der Entwicklung von Regulierungsmodellen in
der Schweiz illustriert.
Gespräch mit Thilo Beck und Christian Schneider
Regulierung des Drogenmarktes: Suchthilfe und Polizei im Gespräch
Mit der erfolgreichen
Einführung der heroingestützten Behandlung in den 1990er-Jahren leistete die
Schweiz Pionierarbeit bei der staatlich geregelten Abgabe einer illegalen
Substanz. Danach wurden aber auf Bundesebene ausser mit dem
Ordnungsbussenmodell im Cannabisbereich keine weiteren Schritte weg von der
Prohibition hin zu einem regulierten Drogenmarkt gemacht. Gründe dafür sind u.
a. moralisch-ideologische Einstellungen, mangelnde Sichtbarkeit der Probleme,
das Fehlen von Lobbygruppen und die Angst vor Experimenten. Die Einführung von
neuen Modellen zur Cannabisregulierung in den USA und in Europa hat nun auch in
der Schweiz die Diskussion neu entfacht und der Druck von unten durch Städte
und Suchtfachleute wächst.
Zur Leseprobe
Corinne Caspar
Umsetzung von Regulierung auf Gemeindeebene
Im Zuge der Neuausrichtung kantonaler und nationaler Gesetze hat die Prävention auf Gemeindeebene zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Gerade bei der Alkohol- und Tabakprävention haben die Gemeinden eine wichtige Rolle, denn viele Rahmenbedingungen wie z. B. die Umsetzung der Jugendschutzbestimmungen, die dem Tabakkonsum und dem übermässigen Alkoholkonsum entgegenwirken, können von einer Gemeinde direkt gesteuert werden. Aber wie? Gefragt sind nachhaltige, bevölkerungsnahe und unkomplizierte Lösungen.
Heinz Borer
Das E-Zigaretten-Dilemma
E-Zigaretten haben das Potenzial, für nicht rauchende Jugendliche eine gefährliche
Einstiegsdroge und für erwachsene Rauchende eine weniger gefährliche
Alternative zu den tödlichen Tabakzigaretten zu sein. Fragen der Langzeitsicherheit
sind noch ungelöst, die Zufuhr von Nikotin und damit die Nikotinabhängigkeit
bleiben bestehen. Der WHO-Grundsatz «Rauchfreiheit ist auch Nikotinfreiheit»
wird tangiert und eine Renormalisierung des Rauchverhaltens befürchtet.
Bestrebungen, individuelle Vorteile für den erwachsenen Rauchenden gegenüber
den Gefahren für die Jugend und die öffentliche Gesundheit abzuwägen, führen zu
unterschiedlichen Regulierungsansätzen für die E-Zigarette.
Frank Zobel, Marc Marthaler
Four shades of green: Modelle der Cannabisregulierung
International zeichnet sich ein Wandel im Umgang mit
Cannabis ab: Die Regulierung des Cannabismarktes in den beiden US-Bundesstaaten
Colorado und Washington und in Uruguay, die Bildung von Vereinigungen von
Cannabiskonsumierenden in Spanien und in Belgien und Reformen des holländischen
Coffeeshop-Modells; wo liegen die Gemeinsamkeiten, wo die Unterschiede der verschiedenen
existierenden oder geplanten Modelle?
Franz Trautmann
Coffeeshops in den Niederlanden: Von Prohibition zur Regulierung
Die Entwicklung der Coffeeshops in den Niederlanden
ist ein Element eines breiten Drogenreformtrends, der auf ein Abrücken von der
von Prohibition bestimmten Drogenpolitik weist. Die Jugendrevolte der sechziger
Jahre, wissenschaftliche Erkenntnisse und eine positive politische Reaktion
haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Kritik aus dem In- und Ausland, Schwächen
des Coffeeshopmodells und sozialpolitischer Konservatismus trugen ab den
achtziger Jahren bei zu einer restriktiveren Politik. Kritik an den negativen
Folgen dieser Restriktionen hat in den letzten Jahren die Forderung einer
Cannabisregulierung wieder aufleben lassen.
Òscar Parés Franquero, Alexander Bücheli
Cannabis Social Clubs in Spanien
Cannabis Social Club (CSC) steht für einen registrierten Verein mit erwachsenen
Mitgliedern, die sich mit Cannabisprodukten versorgen wollen, ohne dabei auf
den Schwarzmarkt zugreifen zu müssen. Es handelt sich um eine Nonprofit-Organisation, der das Bewerben und die Promotion von Cannabisprodukten
untersagt ist. Innerhalb Spaniens waren die Aktivitäten der Cannabis Social
Clubs nie spezifisch reguliert, so dass sich die Situation in den einzelnen
Regionen sehr unterschiedlich präsentiert. Trotzdem ist im Ausland oft vom
«Spanischen Modell» die Rede, während sich in Spanien selbst zunehmend die
Frage stellt, wie diese selbstregulative Alternative überleben wird.
Christian Schneider, Frank Zobel, Chris Wilkins
Neuseeland und die Regulierung von Neuen psychoaktiven Substanzen
Seit gut einem Jahrzehnt experimentiert Neuseeland
mit Regulierungsmodellen für Neue Psychoaktive Substanzen (NPS), die nicht nur
auf Verboten basieren. Auch wenn bis heute noch keine tragfähige Lösung zur NPS-Regulierung
gefunden wurde: Die Erfahrungen Neuseelands ermöglichen Einblicke in die
Möglichkeiten, Grenzen und Konsequenzen unterschiedlich ausgestalteter
Regulierungen.
Dominique Högger
Replik: Kompetenzdiskurs und Gesundheitsförderung: Fallen vermeiden, Chancen nutzen
Replik auf den Beitrag von Roland Reichenbach im SuchtMagazin 4|2014
Fazit. ForschungsSpiegel von Sucht Schweiz
Von der Psychoanalyse bis zur Kurzintervention – psychosoziale Ansätze zur Behandlung alkoholbedingter Störungen der letzten 75 Jahre
Alkoholprobleme gibt es schon seit es Alkohol gibt, aber eine breitere gesellschaftliche Problematisierung des Alkoholkonsums und das Konzept des Alkoholismus als Krankheit kamen erst mit der Gin-Krise in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in England und anfangs des 19. Jahrhunderts mit der sogenannten «Schnapspest» auch in unseren Breitengraden auf. Entsprechende Behandlungen folgten, wobei diese erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts in dokumentierter Form Gegenstand der Forschung sind. In ihrem Artikel vergegenwärtigen McCrady und Kolleginnen die Geschichte der psychosozialen Behandlungsansätze für alkoholbedingte Störungen seit den 1940-er Jahren anhand der Fachpublikationen zu den verschiedenen Ansätzen.