SuchtMagazin Nr. 5/2012

Adoleszenz

Adoleszenz und Substanzkonsum | Gehirnentwicklung | Kinderrechte in der Suchtpolitik | Handynutzung | Jugendkulturelles Rauschtrinken | Mediennutzung als Suchtverhalten | Grundsätze der Intervention | Subjektive Wirksamkeit von MDFT | Früherkennung und Frühintervention | Rausch- und Risikokompetenz

Artikel in dieser Ausgabe

Adoleszenz, Sozialisationsinstanzen und Substanzkonsum

Wie sieht das Verhältnis Jugendlicher zu ihren Eltern, der Schule und zu Gleichaltrigen aus? Wieso konsumieren sie psychoaktive Substanzen? Dazu werden national repräsentative Ergebnisse der internationalen Health Behaviour in School-aged Children Studie HBSC vorgestellt. Substanzkonsumgewohnheiten der Eltern, mangelnder Familienzusammenhalt, Bewältigung von Schulstress, und Substanzkonsum im Freundeskreis werden als Erklärungsansätze des Substanzkonsums im Jugendalter diskutiert.

Das adoleszente Gehirn und Suchtentwicklung

Die Periode der Adoleszenz ist gekennzeichnet durch verstärktes Risikoverhalten, Stimmungsschwankungen und deutlich gesteigerte Impulsivität. Bildgebungsstudien konnten konsistent darstellen, dass die Hirnreifungsprozesse, die diesem Verhalten zugrunde liegen, bis zum Ende der zweiten Lebensdekade andauern. Diese Reifungsprozesse sind von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung von psychischen Auffälligkeiten in dieser Lebensphase wie z. B. Suchtverhalten. Konsumieren Jugendliche vor dem 14. Lebensjahr Substanzen ist die Wahrscheinlichkeit für Suchtentwicklung deutlich erhöht. Jugendliche mit psychischen Störungen sind besonders anfällig für Suchtentwicklung. Gleichzeitig können suchtauslösende Substanzen den Ausbruch einer psychiatrischen Störung triggern.

Kinderrechte in der Suchtpolitik

Die Kinderrechtskonvention weist den Weg zu einer menschenrechtlich gestützten Suchtpolitik. Sie reicht für Kinder und Jugendliche weiter als Jugendschutz und abstinenzorientierte Prävention und muss konsumierenden Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Schadensminderungen und allen geeigneten Therapieformen offen halten. Ausschliesslich an Minderjährige gerichtete Konsumverbote wie Minimal Legal Drinking Ages widersprechen der Kinderrechtskonvention.

Identitätsarbeit durch jugendkulturelles Rauschtrinken?

Rauschtrinken kann als riskante somatische Praktik mit eigenen, jugendkulturellen Ausdrucksformen verstanden werden. Es bietet Jugendlichen einen Erfahrungsraum, der durch Selbstorganisation und durch Selbstexperimente aktiv angeeignet und gestaltet werden kann. Damit kann (exzessiver) Alkoholkonsum subjektiven Sinn und individuelle Funktionen in der adoleszenten Entwicklungsbewältigung übernehmen und, im Sinne gelingender Identitätskonstruktion, im Sozialisationsprozess sichtbar werden.

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Handy: Zwischen engagierter Nutzung und Verhaltenssucht

Wenn Jugendliche in der Schweiz ein Medium besonders fasziniert, so ist es das Mobiltelefon. Fast alle besitzen eines und setzen es sehr häufi g ein. In einer Studie der ZHAW konnten unterschiedliche Nutzerprofi le herausgearbeitet werden. 5% der Befragten zeigten dabei Symptome einer Handy-Verhaltenssucht. Die Verhaltenssucht korreliert mit einer negativen Beziehung zu den Eltern, mit stärkerer Impulsivität und einem höheren Level an Aktivität der Heranwachsenden.

Jugendliches Suchtverhalten am Beispiel der Mediennutzung

Elektronische Medien im Web 2.0 – wie sie seit etwa der Jahrtausendwende de facto von allen Kindern und Jugendlichen genutzt werden – stellen neben interessanten Entwicklungsmöglichkeiten auch eine potentielle Gefahr dar. Ähnlich wie bei stoffgebundenen Süchten gibt es vulnerable Jugendliche mit prämorbiden Störungen, die bei sorgfältiger multiaxialer Diagnostik klassische Suchtverhaltensweisen zeigen. Für diese Untergruppe vulnerabler Kinder und Jugendlicher sind Therapieformen auf dem Boden adäquater Klassifi kationssysteme zu entwickeln, so dass das praktische Problem bei noch unzureichender Forschungslage weder verharmlost noch dramatisiert wird.

Grundsätze der Intervention bei Jugendlichen

Bei der therapeutischen Arbeit mit Jugendlichen ist eine multimodale Intervention wichtig. Die multiaxiale Diagnostik, die Betrachtung der Entwicklungsaufgaben, sowie die therapeutische Allianz ermöglichen eine umfangreiche Erfassung der Problematik der PatientInnen, wozu auch eine neuropsychologische Abklärung gehören sollte. Die Bewältigung der Entwicklungsaufgaben, insbesondere die Förderung der Autonomie sind während der Behandlung wichtig. Für eine erfolgreiche Behandlung spielt dabei die Motivation eine besonders wichtige Rolle.

Die Wirksamkeit von MDFT aus der Sicht jugendlicher KlientInnen

In einer qualitativen Studie wurden cannabisabhängige Jugendliche befragt, welche Therapieelemente der Multidimensionalen Familientherapie MDFT aus deren Sicht wirksam sind. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig dabei erfahrene Akzeptanz, das Gefühl von Autonomie und die als wahrhaftig empfundene Mitarbeit und Verantwortungsübernahme der Eltern sind.

Früherkennung und Frühintervention bei Adoleszenten

Entstehen bei Adoleszenten Schwierigkeiten, Auffälligkeiten und Entwicklungskrisen, braucht es Unterstützung von allen Seiten – sei dies von der Familie, Schule, Arbeitswelt oder vom Freizeitbereich. Was muss aber bei Problemverhalten beachtet werden und wer ist wann zuständig? Ein Lösungsansatz ist die Früherkennung und Frühintervention, die in den letzten Jahren in Gemeinden und Schulen erfolgreich eingeführt und umgesetzt wurde.

Rausch- und Risikokompetenz in der Jugendarbeit

Mit Risflecting© wird ein Ansatz vorgestellt, bei welchem Risikosituationen in Gruppen reflektiert werden. Ziel ist, die Rausch- und Risikokompetenz zu fördern. In konkreten Projekten wendet die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände SAJV1 diesen anerkannten Ansatz an. Anhand der Anwendung von Risflecting© lassen sich auch Unterschiede auf Ebene der Gestaltungsmöglichkeiten von Angeboten zwischen verbandlicher und offener Jugendarbeit aufzeigen.

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